KANN MAN DANN NOCH DARIN SURFEN ODER GEHT MAN UNTER – OB MAN WILL ODER NICHT ?
Epilepsie im Medizinbetrieb.
Erfahrungen und Gedanken eines Betroffenen über das derzeitige Behandlungsangebot und die Chancen
von Menschen mit Epilepsie
Auf dieser Website berichten wir auch über unsere eigenen Erfahrungen mit Epilepsie als Betroffener und als Angehörige.
Wir haben es selbst erlebt, dass die übliche Beschränkung auf Apparatemedizin und Medikamente das Denken verengt und die Sicht auf wirksame andere Behandlungen versperrt. Die großen Apparate, in die man zur Diagnostik hineingeschoben wird, sind beeindruckend. Man ist mit der geballten Medizintechnik konfrontiert und glaubt, dass einem geholfen werden kann. In der Behandlung nehmen die Medikamente den allergrößten Raum ein – eine scheinbar nicht hinterfragbare Selbstverständlichkeit.
Aber die Anfälle gingen unter den Antiepileptika weiter. Nicht verwunderlich, denn unter Antiepileptika werden nur 50 – 60% der Betroffenen anfallsfrei. Für die meisten Wirkstoffe fehlen Wirksamkeitsnachweise oder sie sind fragwürdig. Festgestellt hat dies die Internationale Liga gegen Epilepsie (ILAE). Nachlesen können Sie das alles auf unseren Seiten über die Medikamente, ihre Wirksamkeit und die Mängel in den Wirksamkeitstests.
Die Grand Mals hörten erst auf, als wir von uns selbst entwickelte psychologische Methoden einsetzten. Diese kann man unabhängig von medizinischer Versorgung in eigener Regie anwenden. Denn wenn ein Anfall losgeht, ist man als Betroffener völlig auf sich selbst gestellt.
Nachfolgend erfahren Sie mehr zu diesem Thema.
Ich heiße Wolfgang Feil. Ich bin Diplom-Psychologe. Ärzte haben bei mir eine Epilepsie diagnostiziert. Auf dieser Website berichte ich über meine Erfahrungen mit meiner Epilepsie. Darüber hinaus berichten meine Frau (und Berufskollegin) Gabriele Hänsch und ich zusammen über unseren gemeinsamen Arbeitsansatz der psychologisch fundierten Anfallsverhütung bei Menschen mit den verschiedensten Formen von Epilepsie. Wir arbeiten seit vielen Jahren als Diplom-Psychologen in eigener Praxis zusammen. Meine Sichtweise („ich“) und unsere gemeinsame Sichtweise („wir“) kommen im Text nebeneinander vor und das ist auch so beabsichtigt, um die unterschiedlichen Perspektiven zu kennzeichnen.
Ratgeber zur Epilepsiebehandlung oder Werbeprospekte für eine bestimmte Produktgruppe?
Wenn man wie ich als Epilepsie-Betroffener, nachdem man alle Stationen der medizinischen Epilepsie-Diagnostik und Ursachenforschung durchlaufen hat, Ratgeber über Epilepsie studiert, oder andere medizinische Texte, die für Menschen mit epileptischen Anfällen und ihre Angehörige bestimmt sind, für uns Nichtmediziner also, dann bekommt man den Eindruck, die medikamentöse Behandlung (mit Antiepileptika) sei die einzig mögliche wirksame bzw. hochwirksame Behandlung (wenn man mal von chirurgischen Eingriffen absieht). Diese weit verbreiteten Informationen werden in einem Kontext der Selbstverständlichkeit dargeboten, so dass der Leser, zumindest ging das mir anfangs so, überhaupt nicht auf die Idee kommt, sie in Frage zu stellen, geschweige denn weiter darüber nachzudenken.
Hier nur ein einziges Beispiel: in einem Handbuch für uns Betroffene fand ich folgende Angaben zur Wirksamkeit von Antiepileptika :
Bei Monotherapie (Behandlung mit nur einem Medikament) : 70%
der Patienten „gut kontrolliert“.
Bei Kombinationstherapie (zwei, drei, mehr Medikamente) : weitere
15% „akzeptabel
kontrolliert“.
Das bedeutet für mich : 85% mit medikamentöser Behandlung zumindest „akzeptabel kontrolliert“. Die restlichen 15% sind „unbefriedigend kontrolliert“ (Krämer 2005, S. 285).
Also alle irgendwie kontrolliert?
Wie hilfreich sind Antiepileptika tatsächlich?
Was heißt eigentlich, die Epilepsie sei kontrolliert? Die allermeisten Epilepsie-Betroffenen dürften sich dafür interessieren, wie viele Betroffene anfallsfrei werden. Anfallsfrei werden mit Medikamenten aber nur 50%-60% der Betroffenen (Schmidt, 2006). Das bedeutet, dass bei 40%-50% der Betroffenen weiterhin Anfälle auftreten, wenn auch vielleicht nicht mehr so viele.
Betroffene wie ich mit Grand-Mal-Anfällen werden sich wohl vor allem dafür interessieren, wie viele von uns zumindest keine Grand-Mal-Anfälle mehr bekommen.
Es geht mir hier nicht darum, die Wirksamkeit der Medikamente gegen Epilepsie in Frage zu stellen. Sie haben zweifellos ihre Wirksamkeit und sind daher ein Hauptpfeiler der Epilepsiebehandlung. Es geht mir um eine realistischere Einschätzung der Antiepileptika, als ich sie in Informationsmaterialien finde, die eigens für uns Betroffene verfasst werden. Wenn etwas derart den Markt beherrscht, wie die Medikamente das tun, mit Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen von einer dreiviertel Milliarde Euro in Deutschland (2009) allein für Antiepileptika, dann sollte der Kundennutzen belegt werden können. Dann müssen z.B. Wirksamkeitsnachweise vorliegen, die bestimmten wissenschaftlichen Anforderungen gerecht werden. Und dann müssen auch andere Behandlungsmethoden mit möglicherweise ähnlich hohem Kundennutzen in Betracht gezogen werden. Dies würde eine bessere Einschätzung ermöglichen, die marktbeherrschende Stellung der Medikamente relativieren, und dem Kunden mehr Auswahl aus unterschiedlichen bzw. miteinander kombinierbaren Behandlungsangeboten ermöglichen.
Wie schon erwähnt, können die Medikamente viele Betroffene (darunter auch mich) nicht von ihren Anfällen befreien. Dies gilt insbesondere für die weit verbreiteten fokalen Anfälle mit sekundärer Generalisierung zum Grand Mal. Rein statistisch gesehen gilt das sogar auch, wenn man alle Anfallstypen zusammenfasst. Die Betroffenen bekommen also trotz der Medikamenteneinnahme weiterhin Anfälle – wenn auch vielleicht weniger häufig. Möglicherweise wird dann mit einem zusätzlichen Medikament versucht, die Anfallshäufigkeit weiter zu reduzieren. Neueste Untersuchungen zeigen aber, dass die Kombinationsbehandlung mit zwei oder mehr Medikamenten keinen nennenswerten zusätzlichen Effekt bringt, wenn man nämlich den Effekt des zusätzlichen Medikaments mit dem Effekt eines Scheinmedikaments – eines Placebos – vergleicht.
Wenn man die Medikamente als einzige wirksame Behandlung gegen epileptische Anfälle hinstellt (abgesehen von den chirurgischen Eingriffen, die aber nur bei einem kleinen Teil der Betroffenen in Erwägung gezogen werden), dann sind die vielen Betroffenen, die trotz Medikamenten-Einnahme weiterhin Anfälle bekommen, ziemlich allein gelassen. Sie meinen, die Medizin tut alles für sie. Die großen Apparate, in die man sie hineinschiebt, sind beeindruckend. Dann werden die Befunde besprochen, vielleicht bekommt man die bunten Bilder vom eigenen Gehirn zu sehen. Hier ist der Laie mit dem geballten medizinisch-technischen Sachverstand konfrontiert. Das kann einschüchtern und dann fällt es schwer, sich Gedanken zu machen, sich eine eigene unabhängige Meinung zu bilden und sich zu sagen : ich möchte mich selber darüber informieren, ob es doch noch zusätzliche Möglichkeiten gibt, etwas gegen die Anfälle zu tun (mit oder ohne weiterer Medikamenteneinnahme). So ging das auch mir am Anfang.
Es gibt zusätzliche Behandlungsmöglichkeiten
Möchte man ausschließlich der Medizin und Medizintechnik sein Vertrauen schenken, dann kann man es mit der Vagusnervstimulation oder dem Neurofeedback-Training oder vielleicht sogar mit der Epilepsiechirurgie versuchen, seine Anfälle los zu werden.
Dabei sollte aber nicht vergessen werden : Mit Epilepsie waren und sind eine Menge sehr unterschiedliche Vorstellungen verbunden. Sie reichen von der „Heiligen Krankheit“ früherer Zeiten bis hin zu der etwas simplen These „da spielen ein paar Hirnzellen verrückt und für die haben wir die chemische Keule oder, besser noch, das Skalpell“. Die Medizin als mechanischer Reparaturbetrieb, ähnlich einer Auto- oder PC-Werkstatt. Defekte Teile werden entfernt oder wieder zum Funktionieren gebracht. Was auf der Strecke bleibt, ist der Mensch, der in den Mühlen des Medizinbetriebs zum weitgehend passiven Hilfeempfänger reduziert wird. Dies mit all den Risiken, Nebenwirkungen und unguten Auswirkungen, nicht zuletzt auf das Selbstwertgefühl des Betroffenen, der zum Objekt des Handelns anderer geworden ist.
Dem ungeheuren Selbstheilungspotenzial jedes Menschen wird bestenfalls eine Nebenrolle zugedacht. Gerade im Hinblick auf epileptische Anfälle wirkt das angesichts des heutigen Wissens darüber, dass jeder Mensch tagtäglich unzählige Veränderungen in seinem Gehirn durch jeden Akt des Denkens und Handelns erzeugt, wie ein starres Festhalten am Weltbild des 19.Jahrhunderts. Damals glaubte man noch, dass alle Probleme der Welt mit Mechanik lösbar wären, und dass man überhaupt alle Erscheinungen und Rätsel der Welt und damit auch uns Menschen mit Mechanik und linear-kausalem Denken erklären könne. Spätestens seit Max Planck haben zumindest die Physiker erkannt, dass das nicht möglich ist. Es gibt dennoch ein paar Mediziner (die übrigens auf Englisch Physicians heißen) sowie andere Menschen (darunter auch Kollegen von uns), die mit dieser Erkenntnis noch ihre liebe Not haben. Gerade angesichts der Tatsache, dass wir es sind, die ununterbrochen unser Gehirn verändern, ist ein linear-kausales Denken in rein organischen Kategorien, das uns als Hirnbenutzer und Gestalter unserer hirnphysiologischen Prozesse ausklammert, reichlich naiv.
Eines der Ziele dieser Website ist es, den üblichen Denkweisen und Vorurteilen, die sich um den Umgang mit der Epilepsie ranken, eine umfassendere Sicht der Epilepsie entgegenzusetzen (die auch über die bloße Krankheitssicht hinausreicht).
Wenn man bereit ist, sich gedanklich von der Medizin- und Technikgläubigkeit („Apparatemedizin“) zu lösen und nach Alternativen Ausschau hält, findet man zunächst einmal eine verwirrende Vielfalt von Methoden von A wie Akupressur bis Z wie Zaubersteine. Wie man sieht, gibt es darunter auch etliche exotisch anmutende Angebote (Fernheilungen, Familienstellen, Hand- oder Bergkristallauflegen). Abgesehen von der Tatsache, dass es für solche Angebote praktisch keine wissenschaftlich fundierten Untersuchungen zur Wirksamkeit gibt, dürfte es auch schwierig sein, die jeweilige Kompetenz und den fachlichen Hintergrund der Anbieter solcher Alternativ- oder Komplementärmethoden realistisch einzuschätzen.
Erfreulicherweise gibt es unter den alternativen Behandlungen für Epilepsie auch wirksame psychologische Methoden.
Psychologische Methoden können die Betroffenen unabhängig von medizinischer Versorgung in eigener Regie bei sich selbst anwenden. Wir haben solche Methoden nach dem Auftreten der ersten Grand-Mal-Anfälle zunächst nicht für möglich gehalten, denn entsprechend der Sichtweise der behandelnden Fachärzte hielten wir den Eintritt eines Grand Mals für das Ergebnis eines unbeeinflussbaren rein neurophysiologischen Mechanismus.
Es ist immer noch zuwenig bekannt, dass psychologische Ansätze, allen voran die Anfallsselbstkontrolle, seit Jahrzehnten erforscht werden und ihre Wirksamkeit auch von medizinischer Seite anerkannt wird (z.B. Uhlmann, in Fröscher 2004). Was Viele jedoch nicht wissen: Psychologische Methoden der Anfallsverhütung haben sich nicht nur bei psychogenen Anfällen als effektiv erwiesen, sondern genauso bei epileptischen Anfällen unterschiedlichster Art, darunter natürlich auch solche mit medizinisch nachgewiesenem epileptischen Hintergrund. Ihre Anwendung ist außerdem keineswegs so schwierig und langwierig, wie das in manchen medizinischen Lehrbüchern dargestellt wird. Allerdings haben wir in der Arbeit mit unseren Klienten die Erfahrung gemacht, dass ein paar Tipps und ein kurzes Gruppenbrainstorming über mögliche Anfallskontrollstrategien keineswegs ausreichen. Vielmehr müssen persönliche Voraussetzungen geschaffen und zusätzliche individuell geeignete Vorgehensweisen für die jeweiligen Betroffenen erarbeitet werden, damit tatsächlich ein Erfolg möglich wird. Erforderlich ist auch, dass man sich als Betroffener dafür entscheidet, sich selbst und seinen eigenen Fähigkeiten vertrauen zu lernen und die Bereitschaft, zu beobachten und zu üben. Es bedeutet zudem, dass man sich nicht einfach nur – mehr oder weniger blind vertrauend - in die Hände eines Anderen begibt, sondern dass man selbst aktiv wird und der Möglichkeit eine Chance gibt, Experte, Therapeut und Coach in eigener Sache zu werden. Das klingt anspruchsvoll und mancher Mensch wird da vielleicht durch Selbstzweifel gehindert werden. Erfahrungsgemäß können jedoch bereits Kinder sich durchaus erfolgreich selbst coachen – übrigens auch gerade Kinder mit epileptischen Anfällen. Warum also nicht auch Sie?